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Sorgedienstleistungen

Sorgedienstleistungen sind personenbezogene Dienstleistungen in den bezahlten Sorgebereichen. Sorgedienstleistungen werden nicht nur, aber oft für Menschen erbracht, die sich nicht selbständig versorgen können, sondern auf Hilfe und Unterstützung anderer Menschen angewiesen sind – manchmal vorübergehend, manchmal durchgehend. Für die Qualität ihrer Erbringung spielen zwischen-menschliche Beziehungen, fachliche Kompetenz, Zeit sowie eine angemessene materielle und finanzielle Ausstattung Ressourcen einschließlich einer wertschätzenden Bezahlung der Sorgedienstleistenden eine zentrale Rolle.

Sorgeempfangende

Als Sorgeempfangende, oder auch zu Versorgende, werden Personen bezeichnet, die umsorgt und versorgt werden, für die Sorgearbeit geleistet wird. Demgegenüber werden als die Personen bezeichnet, die umsorgen und versorgen. Diese beiden Positionen im Care Arrangement schließen einander nicht aus, denn viele sorgeempfangende Personen geben auch Sorge. Über die effektive Ausführung einer Sorgetätigkeit wird zwischen Sorgeempfangenden und Sorgeleistenden eine Sorgebeziehung hergestellt.

Sorgeerfahrung

Sorgeerfahrung umfasst Wissen und Kompetenzen, die Menschen während der Sorgephasen in ihrem Leben erwerben. Alle Menschen sammeln in ihrem Leben Sorgeerfahrung, zum einen als Sorgeleistende, wenn sie sich um andere Menschen kümmern, und zum anderen Sorgeempfangende, wenn andere Menschen sich um sie kümmern.

Sorgeethik

Als zentraler Teil der Feministischen Ethik ist seit den 1980er Jahren eine universale Sorgeethik entwickelt worden, die von der Verletzlichkeit der Menschen und ihr existenzielles Angewiesensein auf andere Menschen als anthropologische Konstante ausgeht: „The heart of care ethics […] is that people do care for others that this is a part of our daily lives in the mundane sense, and constitutive of our subjectivities and identities in a more profound ontological and moral This activity of caring is not peripherical to our lives; it constitutes what makes us who we are“ (Robinson 2013, S. 136). Die verschiedenen Ansätze einer universalen Sorgeethik sind in Auseinandersetzung mit und in Abgrenzung von der Gerechtigkeitsethik zunächst für die individuelle Handlungsebene entstanden (vgl. Gilligan 1982/1988), dann aber auch für die politische und globale Ebene weitergedacht worden (vgl. Tronto 1993; Robinson 1999). Schon früh finden sich in der Fachliteratur auch Überlegungen dazu, wie wir sorgende Normen (engl.: caring norms) lernen (vgl. Oliner/Oliner 1995, Kap. 4).

Sorgeextraktivismus

Analog zum Begriff Ressourcenextraktivismus wird der Begriff Sorgeextraktivismus verwendet, um die Verlagerung von Sorgeleistungen aus einer Region oder Nation in eine andere nicht als wertneutrales Phänomen zu beschreiben, sondern die Ungerechtigkeiten zu betonen, die damit verbunden sind (vgl. Wichterich 2016, 2019, S. 533). Denn Sorgeleistungen, die im Heimatland ebenfalls benötigt werden, werden abgezogen und oft ausgebeutet. Beispiel: Osteuropäerinnen übernehmen 24-Stunden-Betreuungen in Westeuropa und dadurch entstehen oder vertiefen sich Sorgedefizite und Sorgekrisen in ihren Heimatländern (siehe auch Sorgemigration).

Sorgegerechtigkeit

Das Prinzip der Sorgegerechtigkeit verbindet die beiden grundlegenden Orientierungen Sorge und Gerechtigkeit und integriert Abhängigkeit und Verletzlichkeit der Menschen in das Gerechtigkeitsdenken. Als eine Form der Verteilungsgerechtigkeit fokussiert die Sorgegerechtigkeit darauf, was gerecht zu verteilen ist, nämlich Sorge bzw. Sorgearbeit. Sorgegerechtigkeit lässt sich auf Menschen oder auf Gesellschaften beziehen, auf ein Land, eine Region oder auch auf alle Länder weltweit. Susan Moller Okin (1989) betrachtet Gerechtigkeit als vorrangig und Sorge als nachrangig, Virginia Held (2006, S. 146) umgekehrt Sorge als vorrangig und Gerechtigkeit als nachrangig. Eva Feder Kittay (1997, 2014) entwickelt eine sorgebasierte Gerechtigkeitsethik, Fiona Robinson (1999, 2013) eine gerechtigkeitsbasierte Sorgeethik – beide im globalen Kontext.

Sorgekämpfe

Sorgekämpfe sind Arbeitskämpfe in der bezahlten Sorgearbeit, vor allem in der Kranken- und Altenpflege, der Behindertenhilfe oder im Sozial- und Erziehungsdienst von Kitas, aber auch in weiteren Berufen der sozialen Arbeit. Dabei werden die Arbeitsbedingungen in der Sorgearbeit thematisiert, kritisiert und auf deren Verbesserung hingewirkt (vgl. Artus et al. 2017). Eine Form von Sorgekämpfen sind (gewerkschaftlich unterstützte) Sorgestreiks. Sorgekämpfe werden auch von denjenigen unterstützt, die regulär (Patient*innen, Kinder bzw. deren Eltern) oder potenziell zukünftig (Angehörige) versorgen und versorgt werden.

Sorgekapitalismus

Im Sorgekapitalismus wird zur Lösung Sorgekrise ganz auf den Markt mit seinen gewinnorientierten Unternehmen gesetzt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die meisten Sorgeleistungen ohne großen Qualitätsverlust über den Markt angeboten werden könnten. Die Entstehung von Konzernen im Gesundheitswesen gehört ebenso dazu wie die Einführung marktähnlicher Elemente, z. B. Fallpauschalen (vgl. Isaksen/Devi/Hochschild 2008; Chorus 2013). In diesem Zusammenhang ist auch auf das Phänomen des Carewashings hin- zuweisen. Analog zu den Begriffen Greenwashing und Pinkwashing wird als Carewashing das Handeln von Unternehmen bezeichnet, denen es darum geht, „to increase their legitimacy by presenting themselves as socially responsible ‚citizens‘, while really contributing to inequality and ecological destruction“ (The Care Collective 2020, S. 11 f.).

Sorgekrise(n)

Die Sorgekrise kann als systemisch bedingte Ausprägung der sorglosen kapitalistischen Organisation Sorge und Sorgearbeit begriffen werden (vgl. Aulenbacher/Dammayr/Décieux 2015). Verschiedene Autor*innen setzen in der Analyse der Sorgekrise(n) unterschiedliche Akzente, die die gesamte soziale Reproduktion von Gesellschaften und ihre natürlichen Grundlagen betreffen (vgl. z. B. Jürgens 2010; Winker 2011). „Zu einer Sorgekrise kommt es, wenn Sorgedefizite nicht auf einzelne Haushalte beschränkt bleiben, sondern sich national, regional oder weltweit ausdehnen, wobei sich die Situation überall dort zuspitzt, wo sich das Angebot an und die Nachfrage nach Sorgearbeit gegenläufig entwickeln, also immer mehr Sorgearbeit benötigt wird, aber immer weniger Sorgearbeit geleistet wird.“ (Knobloch 2013a, S. 25) Die Anforderungen an die soziale Reproduktion steigen unter den neoliberalen Arbeits- und Produktionsbedingungen während gleichzeitig wohlfahrtsstaatliche Angebote und Strukturen privatisiert und reduziert werden. Für Sorgeleistende drückt sich das in physischen und psychischen Überlastungen aus und für Sorgeempfangende derart, dass ihre Versorgung nicht mehr angemessen sichergestellt ist.

Sorgekultur

Als Sorgekultur, oder auch Care-Kultur, wird die in einer Gesellschaft, Gemeinschaft oder Organisation vorherrschende Kultur im Umgang mit den Themen Sorge sorgendes Versorgen verstanden, also die gesellschaftliche Einstellung zum Sorgen und Versorgen ebenso wie ihre gewachsenen und zukünftigen Gestaltungsprozesse. Dabei wird die „Verkümmerung einer Care-Kultur“ (Becker-Schmidt 2011, S. 16) konstatiert, aber auch die Möglichkeit der geschlechtergerechten „Entwicklung einer Care-Kultur“ (ebd., S. 20) erkannt und gefordert. Die Themen sind vielfältig: Es geht um die Förderung der lokalen Sorgekultur in Gemeinschaften und Gemeinden (vgl. Hahmann 2022; Schürch/van Holten 2022) ebenso wie um die Untersuchung der hochschulinternen Sorgekultur (vgl. Knopf et al. 2022).