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Sorgetätigkeiten

Sorgetätigkeiten – synonym auch Sorgeaktivitäten oder Sorgepraktiken – umfassen alle Tätigkeiten des Sorgens und Versorgens, die zusammengefasst auch als Sorge- und Versorgungsarbeit bezeichnet werden. Sorgetätigkeiten werden in allen vier Sektoren des Sorgediamanten, insbesondere aber in den privaten Haushalten erbracht. Ihre Besonderheiten werden deutlich, wenn wir von Sorgetätigkeiten für kleine Kinder oder schwerkranke Menschen ausgehen. Sie sind gekennzeichnet durch eingeschränkte bzw. nicht vorhandene Handlungsfähigkeit und damit begrenzte Autonomie sowie durch die sich daraus ergebenden wechselseitigen Abhängigkeiten und Asymmetrien (vgl. Jochimsen 2003a). Bei der Bereitstellung von Sorgetätigkeiten werden zwei Bestandteile unterschieden: das instrumentelle Element, also die konkrete fachliche Tätigkeit, z. B. spezielle Handgriffe in der Pflege, und das kommunikative Element, also die ideelle Zuwendung, z. B. das Sprechen mit den Sorgeempfangenden, das – so die Annahme – wesentlich über die adäquate Sorgemotivation auf Seiten der Sorgeleistenden bestimmt wird. Erst beide Elemente zusammen sichern die Qualität von Sorgetätigkeiten und erzeugen die in der Fachliteratur als integratives Produkt bezeichnete soziale Dimension einer erfolgreichen Sorgeleistung (vgl. Jochimsen 2003b, S. 45).

Sorgetheorie

Die Sorgetheorie setzt sich auf konzeptioneller Ebene mit der sozialen Organisation
von Sorgesituationen und der Bereitstellung von Sorgetätigkeiten auseinander (vgl. Jochimsen 2003a; Madörin 2006; Engster 2007). Maren Jochimsen  (2003a) bezeichnet ihren Entwurf einer Theorie der Sorgeökonomie als Zusammendenken von Sorgetheorie und Ökonomie als „Careful Economics“. Sie geht von der Bereitstellung existenzieller Sorgetätigkeiten aus, insbesondere für Kinder, ältere, kranke und behinderte Menschen, und arbeitet gegenseitige existenzielle, motivationale und materielle Abhängigkeit sowie Asymmetrie als spezifische Kennzeichen von Sorgesituationen heraus. Die Sorgetheorie steht auch vor der konzeptionellen Aufgabe, „to organize economic institutions and policies so that they provide all individuals with the real opportunity to care adequately for themselves, their loved ones, and human beings in general“ (Engster 2007, S. 118 f.).

Sorgetransformation(en)

Vor dem Hintergrund der globalen, nationalen, familiären und individuellen Sorgekrisen lenken Sorgetransformationen den Blick auf die für Caring Societies erforderlichen Transformationen der bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsregime, insbesondere der Sorgeregime. Dabei sind Sorgetransformationen ein zentraler Teil der sozial-ökologischen Transformationen, die an den Kriterien Geschlechtergerechtigkeit und Sorgegerechtigkeit sowie Zukunftsfähigkeit orientiert sind. Die Sorgebewegung trägt zu diesen Sorgetransformationen bei, die zusammengenommen auch zu einer Sorgerevolution führen können.

Sorgeverantwortung

Sorgeverantwortung umfasst nicht nur die Übernahme von Sorgearbeit in
ihren verschiedenen Dimensionen, sondern auch die Planung und Organisation
der Versorgung mit allen erforderlichen Sorgeleistungen. Für Joan Tronto ist die
Verantwortung fürs Sorgen der Ausgangspunkt demokratischer Politik: „Was
innerhalb einer Demokratie gleichverteilt werden muss, ist die Sorgeverantwortung“
(Tronto 2016, S. 845; siehe auch Tronto 2013, 2017).

Sorgevertrag

Allen Gesellschaften liegt ein impliziter Sorgevertrag zugrunde, der ein Teil des
Gesellschaftsvertrags ist. Denn jede Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass Menschen
– zumindest als Säuglinge und im Kindesalter – versorgt und erzogen werden.
Um den Sorgevertrag geschlechtergerecht und zukunftsfähig zu gestalten,
sind die geschlechtsspezifischen und weiteren intersektionalen Zuschreibungen
von Erziehungs-, Betreuungs- und Pflegeaufgaben zu überwinden.

Sorgsames Recht

Bezahlte und unbezahlte Sorgearbeit und Sorge allgemein werden in vielfacher
Hinsicht durch das Recht reguliert und konstruiert, u. a. durch Familienrecht,
Sozialrecht, Medizinrecht, Arbeitsrecht. Das Schaffen eines fürsorglichen
und sorgsamen Rechts, das die fragmentierten Perspektiven überwindet, trägt zu
einer Aufwertung und angemessenen Anerkennung von Sorge und Sorgearbeit
bei (vgl. Scheiwe 2020).

Stone

Stone, Deborah (2000): Why We Need a Care Movement. In: The Nation, 23.02.2000, S. 13–15.

Systemrelevanz

Feministische Ökonom*innen weisen schon seit Jahrzehnten darauf hin, dass Sorge und Sorgearbeit die fundamentalen Bedingungen dafür sind, dass sich Gesellschaften erhalten und weiterentwickeln können, dass diese Tätigkeiten und Berufe also systemrelevant sind. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde der Begriff der Systemrelevanz seit 2020 verstärkt verwendet, um die enorme Bedeutung von Sorge- und Versorgungsarbeit sowie der entsprechenden Berufe hervorzuheben.