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Sorgeleistende

Als Sorgeleistende, oder auch Sorgende, werden die Personen bezeichnet, die umsorgen und versorgen. Demgegenüber werden Sorgeempfangende Personen bezeichnet, die umsorgt und versorgt werden. Diese beiden Positionen im Care-Arrangement schließen einander nicht aus, denn alle Sorgeleistenden sind selbst immer auch auf Sorge angewiesen. Über die effektive Ausführung einer Sorgetätigkeit wird zwischen Sorgeempfangenden und Sorgeleistenden Sorgebeziehung

Sorgelogik

Die Logik des Sorgens geht von den existenziellen Sorgebedürfnissen der Menschen aus und stellt deren Erfüllung in den Mittelpunkt. Annemarie Mol (2008) entwickelt die Sorgelogik in Abgrenzung zur Logik des Wählens (logic of choice), denn für sie ist die zentrale Frage, „whether people are able to make choices or not“ (ebd., S. 7). Andere stellen die Sorge- und Versorgungslogik der Markt- und Wettbewerbslogik gegenüber (vgl. z. B. Wichterich 2013, S. 69; Habermann 2016).

Sorgemigration

Menschen migrieren, um Sorgearbeit in einem Land zu leisten, in dem für
Sorgearbeit bezahlt wird und der Lohn dafür höher ist als im Heimatland für
entsprechende Tätigkeiten oder im erlernten Beruf. Fast immer sind es Frauen,
die in Pflegeeinrichtungen oder in Privathaushalten für Menschen tätig sind,
die nicht mehr ohne Unterstützung ihren Alltag bewältigen können. Im Fall von
Live-in-Arrangements wohnen sie auch dort (siehe auch Sorgeextraktivismus).

Sorgemotivation

Unter Sorgemotivation wird die mit effektiven Sorgetätigkeiten notwendigerweise
verbundene wohlwollende Haltung und Einstellung gegenüber sorgebedürftigen
Menschen verstanden: „Any caring motivation must include a benevolent
awareness of the situation of the other and her/his well-being, reflecting both
individuals’ need for care and their responsibility to care. Caring motivations
reflect the relatedness, the attachment of the caring protagonist to other individuals“
(Jochimsen 2003a, S. 76, Hervorhebung im Original). Dabei werden die Sorgebedürfnisse der anderen zum Ausgangspunkt des Handelns der Sorgeleistenden genommen: „Caring motivations take the situation of the care receiver as the starting point to determine what must be done“ (ebd., S. 77).

Sorgende Demokratie

In „Caring Democracy“ (2013) entwickelt Joan Tronto ihr Konzept einer sorgenden
Demokratie. Dieses Konzept erfordert, „dass die in ihrer jeweiligen Gesellschaft
lebenden Menschen einen genauen Blick darauf werfen, auf welche Weise
Sorgeverantwortung ungleich verteilt ist. […] Eine Neuorganisation dessen,
wie Sorgeverantwortung zugeteilt ist, macht es notwendig, dass diejenigen, die
mit ihr überbelastet sind, einige dieser Belastungen verweigern können und dass
diejenigen, die ihren Teil der Verantwortung nicht übernehmen, dies tun“ (Tronto
2016, S. 846).

Sorgende Gemeinschaften

Der Begriff der sorgenden Gemeinschaften ist mehrdeutig. Einerseits ist damit ein
informeller gegenseitiger Anspruch gemeint, der eine als Gemeinschaft definierte
soziale Gruppe bezeichnet, die füreinander verantwortlich sorgt und sorgsam
miteinander umgeht. Andererseits wird darunter ein konkretes institutionalisiertes
städteplanerisches Konzept verstanden, das Sorge zum Ziel und Leitprinzip
kommunaler Versorgung erhebt. Beiden Konnotationen liegt das Ziel einer
gerechteren Sorgekultur zugrunde (vgl. Vischer/Schneider/Dollsack 2022;
Hahmann 2022; Schürch/van Holten 2022).

Sorgendes Versorgen

„Mit dem sorgenden Versorgen wird eine Handlungsweise umrissen, die Voraussetzung
dafür ist, dass Menschen leben und gut leben können. Sie ist auf das
Ziel der Versorgung ausgerichtet und begreift die auf den Menschen gerichtete
(Für-)Sorge als Handlungsmotivation. Auf sorgendes Versorgen ausgerichtetes
Handeln ist verallgemeinerbar in dem Sinne, dass wir wollen können, dass jeder
Mensch so handelt, während das z. B. für nur am eigenen Nutzen orientiertes
oder gewinnmaximierendes Handeln nicht gilt. Denn alle Menschen sind darauf
angewiesen, dass andere Menschen sich nicht nur an den eigenen Interessen
orientieren, ansonsten wären Gesellschaften nicht überlebensfähig. Das richtige
Maß zwischen zu viel und zu wenig Sorge ist damit aber noch nicht festgelegt,
sondern erfordert Menschenkenntnis, Empathie ebenso wie Urteilsvermögen.“
(Knobloch 2019, S. 21).

Sorgeökonomie

Die Sorgeökonomie macht Umfang und Bedeutung der bezahlten und unbezahlten Sorgearbeit sichtbar und untersucht die Sorgetätigkeiten in allen Sektoren des Sorgediamanten auf mikro-, meso- und makroökonomischer Ebene. Auf individueller Ebene setzt sie sich mit den Sorgebedürfnissen der Sorgeempfangenden, aber auch der Sorgeleistenden auseinander, auf organisationaler Ebene mit dem Angebot und der Nachfrage bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit und auf struktureller Ebene mit der Gestaltung (geschlechter)gerechter und zukunftsfähiger Sorgesysteme. Durch die systematische Verbindung von Erwerbswirtschaft und unbezahlter Versorgungswirtschaft lassen sich auch Verlagerungsprozesse von bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit verdeutlichen (vgl. Knobloch 2010; siehe auch Monetarisierung und Entmonetarisierung). Mittlerweile sind eine Reihe sorgeökonomischer Ansätze entstanden, die sich grundlegend von den orthodoxen ökonomischen Ansätzen unterscheiden (vgl. z.B. Folbre 2001; Jochimsen 2003a; Power 2004; Madörin 2006; Knobloch 2013b; siehe auch Caring Economy und Vorsorgendes Wirtschaften).

Sorgerationalität

Eine eigene Rationalität des Sorgens hat Kari Wærness schon früh herausgearbeitet:
„the ability to care in a ‚proper‘ way, depends on something which can be
learned and for which there are rules for proceeding, and that therefore some
kind of rationality is involved“ (Wærness 1984, S. 195). Seither wurde der von
ihr entwickelte Begriff der Sorge- oder Fürsorgerationalität vielfach verwendet
und weiterentwickelt, um deutlich zu machen, dass Rationalität und das mit Sorge verbundene Verantwortungsgefühl nicht im Gegensatz zueinander stehen,
sondern dass mit Sorgetätigkeiten verschiedene, ganz eigene Rationalitäten
verbunden sind (vgl. Wærness 2000).

Sorgeregime

Als Sorgeregime wird die Art und Weise bezeichnet, wie Sorge in der Gesellschaft institutionalisiert ist, wie sie „in einer Gesellschaft und im Wohlfahrtsstaat wahrgenommen, verortet, organisiert und ins Verhältnis zur Erwerbsarbeit gesetzt wird“ (Beckmann 2008, S. 73). Alle Wohlfahrtsstaaten basieren auf einem oft impliziten Sorgeregime, das nicht nur die Wohlfahrts- und Sorgeleistungen des Staates, sondern auch die Leistungen aller anderen Akteur*innen umfasst (vgl. Lewis 1997, S. 10). Ein zentraler Fokus der Forschung im Rahmen des Konzepts liegt in der Analyse der Bedeutung der Muster für die Reproduktion der gesellschaftlichen Benachteiligung von Frauen im Vergleich zu Männern bzw. von Möglichkeiten einer positiven Veränderung. Selbst im 21. Jahrhundert basiert das Sorgeregime in der Regel immer noch „auf Geschlechterstereotypen (und reproduziert diese) und ist somit das Ergebnis der vorherrschenden Geschlechterordnung und seiner spezifischen Verkörperung in einem care-Regime“ (Beckmann 2008, S. 73 f.; siehe auch Aulenbacher/Riegraf/Theobald 2014; Aulenbacher/ Dammayr/Décieux 2014; Simonazzi 2009).